Malerei und Literatur

Wenn ich fleißiger wäre oder Wurst

 

Wenn ich fleißiger wäre, wäre ich vielleicht::

Eine gute Künstlerin, eine bekannte Künstlerin, eine sehr gute „Skulptureurin"? Eine Kurzgeschichtenschreiberin.

Während ich hier schreibe sagt mein Mann: Was ist hier mit den Würsten im Eintopf?

Wir sind gerade nach Hause gekommen, es ist nach 24 Uhr. Wir hatten einen schönen Abend in einem Denzlinger Innenhof. Petronella hat gesungen mit noch zwei Frauen und einem kleinen Chor. Petronella mag ich sehr, ich kenne sie ein wenig. Sie ist schön und auch sehr gut im Vortragen. Sie stellen etwas auf die Beine.

Ich würde auch gerne noch etwas auf die Beine stellen. Aber vielleicht bin ich ein „guter" Mensch und „gute" Menschen sind oft nicht so erfolgreich. Ich tröste, ich liebe, ich helfe ich bin gut. Oder nicht?

Die Würste sind jetzt durch.

Kann man Künstlerin sein, Eintopf kochen Würste braten Tochter pflegen. Das Unglück einer guten Freundin mittragen????? Ja man kann!

Wenn ich fleißiger wäre ? Um 6 Uhr aufstehen!

Kann man Künstlerin sein mit einem Vater, der Schweine und Kühe abstach, um daraus Würste zu machen? Er war ein guter Mensch. Naiv ehrlich treu. Meine Mutter will kein guter Mensch sein. Sie steht außerhalb der guten Menschen. Manchmal will sie ein guter Mensch sein, dann gibt sie mir eine Summe Geld. Geld für die Töchter, Geld gleich Liebe! Nach zwei durchhungerten Kriegen. Was wissen wir schon.

Mir ging es immer gut. Es gab Eintopf und auch Würste auch in schlechten Zeiten. Irgendwer besorgte immer Würste. Mein Vater war Metzger in der Fleischwarenfabrik. Aber dann war er im Krieg.

Die Tiefflieger kamen und wir saßen in den Katakomben der Fleischwarenfabrik meine Mutter und ich inmitten der Wurstkonserven für die Wehrmacht. Hätten die das gewusst! Es war natürlich Blödsinn in der Fleischwarenfabrik zu sitzen während die Tiefflieger kamen. Wir hatten Glück, sie wussten nichts von den Wurstkonserven für die Wehrmacht.

Mein Mann hat inzwischen den Eintopf gegessen und auch die Würste. Obwohl wir selten Würste essen, denn wir wollen gesund essen. Jetzt isst er noch ein Joghurt wegen der Gesundheit. Aber so spät, das bleibt im Magen liegen.

Die Kurzgeschichte lebt von Dialogen:.„War der Eintopf gut" frage ich wegen der Dialoge. „Ja Ja" sagt mein Mann. „War es zu wenig?" frage ich wegen des Dialoges. „Nein Nein" sagt er.

Dann sagt er noch: „Wellness-Zentrum im Hirschen im Glottertal „ in der Zeitung lesend. Dort arbeitet eine uns bekannte Kosmetikerin. Aber das ist eine andere Geschichte!

Ab morgen bin ich fleißig. 6 Uhr Aufstehen !

 

 

 

 

Knapp unter den Wolken

 

Sie stand wie gebannt, den Kopf leicht geneigt, sie

 

horchte, sie hörte die Rufe von weit unten.

 

„Rapunzel, Rapunzel lass Dein Haar herunter.“

 

Aufgeregt nestelte sie sich die Haare auseinander und beugte sich nach vorne. Das Haar war zu kurz!

 

Wo war er, der Prinz, ihr Prinz Philipp! Sie war ihm in sein hohes Haus gefolgt. Zusammen waren sie himmelwärts geflogen bis zu seinem Schloss. Unter den Wolken, hatte er lachend gesagt. Ja, das wollte sie, unter den Wolken sein!

 

Am Ende des Flures hatte sie die niedrige Türe entdeckt. Es gelang ihr, sie so weit zu öffnen dass sie hinaus schlüpfen konnte. Da waren sie, die Wolken ihre Wolken!

 

Die Rufe wurden lauter. Noch einmal breitete sie ihr Haar aus. Das Haar war zu kurz!

 

„Ich weiß nicht was soll es bedeuten dass ich so traurig bin“ trällerte sie verzückt mit kindlicher Stimme. 

 

Erleichtert lachte sie. Jetzt wusste sie es, sie war die Loreley, die Loreley war sie! Eine irrwitzige Freude erfüllte ihr Herz. Wie ein junges Mädchen fühlte sie sich. Hier war ihr Fels, Hier konnte sie bleiben!

 

„Die schönste Jungfrau sitzet dort oben wunderbar.

 

Ihr goldenes Geschmeide blitzet, sie kämmt ihr goldenes Haar. Sie kämmt es mit goldenem Kamme.“

 

Inbrünstig sang sie ihr Lied.

 

Der Schiffer winkte, viele Schiffer winkten.

 

Die Feuerwehrleute hielten nervös das Sprungtuch bereit!

 

Während sie noch einmal dem Schiffer ihre Haare ausbreitete, sang sie aus vollem Herzen: „Er schaut nur hinauf auf die Höh.“ Glücklich schloss sie die Augen.

 

Plötzlich umfassten große harte Hände ihre Taille. Jemand zerrte sie vom Rand des Flachdaches und hielt sie fest umschlungen. Vor Entsetzen brachte er kaum ein Wort heraus. „Oma, was wolltest Du tun?“

 

Kreidebleich stand er da, ihr Enkel Philipp.

 

 

 

 

Das alte Haus

 

Das Licht hat sich verändert, Stille liegt über den feuchten Wiesen,

 

Weiße Nebelfetzen steigen auf, der Herbst kündigt sich an.

 

Sie atmet tief ein, das geschnittene Gras duftet noch immer nach

 

Sommer.

 

 

 

Der Geruch erinnert sie an Geschichten aus ihrer Kindheit.

 

Sie geht durch die offene Türe in das alte Haus hinein.

 

Generationen lebten und starben hier. Es wurde niemals abgeschlossen.

 

 

 

Das Haus riecht, wie es immer gerochen hat,

 

Nach Zukunft und Vergangenheit, nach Geräuchertem,

 

Nach süßem Wein, gebackenem Brot und Kräutern.

 

Altes Holz knarzt und ächzt, es raschelt und zischelt,

 

Auf der Tenne trippeln die Mäuse.

 

Manchmal mischen sich schlurfende und tapsende

 

Schritte in die gewohnten Geräusche.

 

Es ist Besuchszeit, die Ahnen gehen durch das Haus.

 

In mondhellen Nächten kann sie sie sehen, sie huschen dahin

 

Und dorthin, um gleich wieder zu verschwinden.

 

Zwei Gespenster in wunderlichen Nachthemden.

 

Sie wachen über sie.

 

Sie gehören zu ihr wie dieses Haus zu ihr gehört.

 

 

 

Alles was zu sehen war, hat sie gesehen, gelebt, was zu leben war.

 

Zurückgekehrt in das Haus ihrer Vorfahren, schließt sich der Kreis.

 

Sie ist glücklich.

 

 

 


Copyrigt der Geschichten Ilse Reichinger

Ilse Reichinger    info(at)ilse-reichinger(dot)de